Der Donauwörther Zahnarzt Dr. Josef Tozman hat „We are Christians“ mitgegründet. Im Fokus steht die Unterstützung verfolgter Christen in den Krisenregionen.
Donauwörth, , 05. März 2016 – Irgendwann könnte sein Volk nicht nur das Land, sondern auch die Sprache verlieren, befürchtet Josef Tozman. Er ist Zahnarzt in Donauwörth, stammt aber aus einem Gebiet, das dieser Tage hart umkämpft ist: Der Region zwischen Syrien und der Türkei, wo Islamisten ihr Unwesen treiben. Tozman selbst ist Aramäer, wurde in Südanatolien geboren – und hat vor einiger Zeit erkannt, dass das Entsetztsein über die Bilder des Syrienkrieges nicht ausreicht. Mit anderen Aramäern in Süddeutschland hat er eine Hilfsorganisation gegründet. Deren Name ist Programm: „We are Christians“ („Wir sind Christen“). In Syrien, aber auch in zahlreichen anderen Regionen des Nahen und Mittleren Ostens gehören die Christen zu den am stärksten Verfolgten. Und trotzdem wagen sich die Mitglieder des aramäischen Vereins immer wieder in die Krisenregion – wo sie aber nicht ausschließlich den Glaubengeschwistern helfen. Der Bedarf an Unterstützung ist mittlerweile immens.
Josef Tozman hätte nie gedacht, dass alles so groß werden würde – er hatte es auch nie gehofft: „Am Anfang wollten wir mit einer einmaligen Aktion helfen. Daraus ist schnell eine ganze Organisation geworden.“
An Anfang, im Herbst 2014, das war zu jener Zeit vor der großen Flüchtlingswelle nach Kerneuropa aus Syrien und Teilen des Iraks. Damals trafen sich Mitglieder aus armäischen Diasporagemeinden aus ganz Süddeutschland, um aus der Hilfsaktion und Medieninitiative „WeAreN“ einen Verein zu formen. Das „N“ steht für Nazarener – für Jesus Christus.
Der Buchstabe ist nach wie vor gleichsam Bekenntnis wie auch Motivation zur direkten Hilfe. 20000 T-Shirts mit dem „N“ hat die Organisation deutschlandweit verkauft um von dem Erlös sowie weiteren Spendegeldern Hilfsgüter zu kaufen. Die habe man, so berichtet Tozman, anfangs noch selber aus Deutschland über die Türkei in Richtung Irak gekarrt: 40 Tonnen Winterbekleidung, 1500 Weihnachtsgeschenk-Pakete für Kinder und über 5000 Babynahrungspakete – „ein Tropfen auf den heißen Stein“ sei das am ersten Weihnachtsfeiertag 2014 gewesen, wie es Tozman bescheiden beschreibt. Der Transport sei kompliziert gewesen für die allesamt ehrenamtlichen Helfer: „An der türkischen Grenze dauert es ewig lange, bis Transporte durchgelassen werden. Wir mussten uns neue Wege für die Hilfe suchen“, sagt Tozman zu den Überlegungen nach dem aufwendigen Transport mit zwei Lastwagen.
Im Nordirak gebe es noch eine gewisse „christliche Infrastruktur“, wenngleich es weniger Christen in dieser urchristlichen Kernregion geworden seien. Die deutsch-aramäischen Helfer wandten sich an den ortsansässigen Erzbischof von Mossul der syrischorthodoxen Kirche von Antiochien. Man vereinbarte, dass mit den Spendengeldern aus Deutschland Lebensmittel und anderes Lebensnotwendiges wie Heizgeräte und –öl sowie Medikamente im Irak gekauft werden sollen; dezentral, vor Ort.
Zuletzt seien punktuell positive Entwicklungen in der furchtbaren Situation der ständigen Bedrohung durch Islamisten zu beobachten gewesen, berichtet Tozman: Zumindest einige Menschen in den nordirakischen Flüchtlingscamps müssten mittlerweile nicht mehr in Zelten leben, sie seien in Lagerhallen oder Rohbaustellen untergekommen. Dennoch handelt es sich noch immer um menschenunwürdige Zustände, wenn laut Helferberichten auf acht Quadratmetern Fläche oft mehr als acht Personen Platz finden sollen. Deswegen, so Tozman, sei Hilfe aus dem Ausland mehr als notwendig. Sie sei schlicht existenziell.
Und genau das sei der Antrieb zum Weitermachen, sagt Tozman. Auch aus dem fernen Donauwörth könne man etwas bewegen, indem man hilft. Die Spenden kämen an, hülfen dem Überleben – auch dem Überleben der letzten verbliebenen Christen. Tozmans Blick wird ein wenig traurig, wenn er auf die Lage des Christentums im dessen einstigen Stammlanden angesprochen wird – und wenn er noch immer erkennen muss, wie wenig sich in den letzten beiden Jahren politisch bewegt habe, wie wenig für die mitunter am stärksten Verfolgten getan werde im sogenannten christlichen Abendland: „Ich erwarte von einem christlichen Land und einer christlichen Partei eigentlich mehr“, sagt der Zahnmediziner, der in Berlin aufgewachsen ist. Die momentane Flüchtlingsproblematik sei zum Teil jenem Wegschauen des Auslandes geschuldet. Das Kürzen der Rationen in den Flüchtlingscamps der Nachbarregionen habe das Maß voll werden lassen.
Die Zahl an Asylbewerbern muslimischer Herkunft sieht Tozman indes nicht ohne Sorge. Ihn hätten die mitunter sehr traurigen Erfahrungen der orientalischen Christen mit dem Islam geprägt – und er selbst habe starke Zweifel, dass der Islam sich in die westlichen Gesellschaftsstrukturen integrieren ließe: „Das wird bei einigen Muslimen, aber nicht bei den meisten gelingen.“ Dennoch mag er keinen Groll gegen die Muslime als Mitmenschen hegen. Der Name der Hilfsorganisation, die er mitgegründet hat, soll auch hier Programm sein: Ein überzeugter Christ sei verpflichtet jedem Menschen nach Möglichkeit zu helfen.
Und dennoch: Die schlimme Situation der Christen im Orient erfordere speziell hierbei rasches politisches Handeln. Wenn es dafür nicht schon zu spät sei. Das Ausbluten der christlichen Orte nimmt seinen Lauf. Tozman befürchtet, dass irgendwann auch das Aramäische, die Sprache, die Jesus Christus gesprochen haben soll, aussterben könnte. Doch er und seine Mitstreiter wollten dennoch nicht aufgeben, helfen, sagt Tozman. Das klingt entschlossen – aber auch ein wenig traurig und trotzig zugleich.
Es fehlt an Nahrung, Kleidung, Unterkünften, Hygieneartikel, Decken, Heizstrahler, Medikamente usw.
Wenn wir uns gegenseitig nicht helfen, können wir auch keine Hilfe von außen erwarten.
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Die Spendengelder kommen zu 100 % den Bedürftigen zugute.
Spendenkonto:
We Are Christians – Aramaic Charity Organization e.V.
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Von Thomas Hilgendorf …
Quelle: Augsburger-Allgemeine, 05. März 2016:
http://www.augsburger-allgemeine.de/donauwoerth/Tonnenweise-Hilfe-fuer-das-Kriegsgebiet-id37139357.html